14.09.2019: Was macht eigentlich ein Kegel-Trainer?
    Herr der Lage: Martin Thomann beobachtet seine Mannschaft im Training stets - für's Foto auch aus ungewohnter Position. Foto: Dominik Großpietsch
    Donnerstag, kurz vor 19 Uhr. Gelassen sitzt Martin Thomann am Tisch hinter der Kegelbahn unter der Sportgaststätte der SG Dittelbrunn. Das Training läuft. Durch eine Glaswand hindurch beobachtet der 56-Jährige "seine Mädels" - die Frauen-Mannschaft der Sportgemeinschaft. Doch warum macht er das? Thomann ist seit 15 Jahren Kegel-Trainer.

    Ein waschechter Franke würde jetzt fragen: "Braucht's des wirklich?" Er grinst. "Ja. Ich bin hier der Motivator. Ich muss meinem Team in erster Linie ganz viel Mut zusprechen." Das Problem beim Kegeln ist nämlich der Kopf. Das direkte, von anderen Sportlern gerne belächelte Duell mit dem Gegner kostet viel Kraft. Thomann, der natürlich auch die Aufstellung bestimmt, lässt oft Vorsicht walten. "Wenn ich eine schlechte Phase habe, will ich trotzdem Voll-Gummi geben. Dann kann ich einfachste Dinge nicht lösen - und dann leidet mein Selbstvertrauen. Das ist im Kegelsport ganz extrem. Daher muss man seine Spieler ständig im Blick haben, oft aufbauen und vielleicht auch mal rauslassen."

    Der Coach muss die Feinheiten im Blick haben
    Grundlagen, die das Ganze schwierig machen - in jeder Liga. So sehr, dass es nach Thomanns Einschätzung, der selbst lange Kegler war, nach dem Zweitliga-Abstieg seines Teams auch in der darunter liegenden Bayernliga keinen Deut einfacher wird. "Wir kennen eigentlich nur drei der Bahnen in der Bayernliga. Die Kugeln rollen schließlich auf jeder Anlage anders."
    Brachte ihren Mann zum Kegeln: Marion Thomann, die bis heute bei der SG Dittelbrunn aktiv ist. Foto: Wolfgang Müller
    Der langjährige SG-Vorsitzende schreckt auf - ganz kurz. Er entdeckt einen kleinen Fehler. "Der Arm ist zu weit vom Körper weg. Dann wird der Wurf zu ungenau. Man muss den Körper gerade lassen. Sowas siehst du halt nicht, wenn du auf der Bahn stehst." Thomann schon. Der Vater dreier Kinder stellt sich dann auch mal mitten auf das blaue Geläuf im Souterrain des Sport-Komplexes am Steinig. Werden diese kleinen Fehler nicht korrigiert, wird die Technik schnell zur Last - das wäre fatal.

    Wer Sportkegeln betreibt, muss eine "Gasse" treffen. Wer mittig in Richtung der Kegel zimmert, wirft meist weniger um, was sich beim Abräumen rächt. "Ich muss schauen, dass ich die Stärken der Spielerin stärke und die Schwächen ausmerze." Einfach? "Nö." Deswegen nimmt sich der Langzeit-Kegler die Dittelbrunnerinnen mal zur Seite, erklärt seine Beobachtungen, die er auch mit seinem Co-Trainer Sebastian Limpert durchspricht. "Das ist wichtig. Manche Leute denken ja, dass sie die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Aber bei vielen Kegel-Trainern ist das nicht so. Die tauschen sich mit dir aus." Auch ein Grund, warum der Inhaber einer Fußball-B-Lizenz bis heute auf kegelspezifische Trainerfortbildungen verzichtet hat.

    "Deine Birne arbeitet ständig - als Spieler und als Trainer."
    Dass Martin Thomann überhaupt zum Kegeln kam, hat er seiner Frau Marion zu verdanken. Wie war das nochmal? Ein Lächeln huscht über die Lippen des Mannes, dem man es eigentlich gar nicht zutrauen will, dass als Großkundenbetreuer in der Gesundheitsbranche auch Schlips trägt. "Wir kannten uns damals vier Wochen. Ich war 20, Marion hat einfach mal gemeint, dass ich mit zum Kegeln kommen soll. Da musste ich schon lachen, hab dann aber 70 Schub gemacht. Am nächsten Morgen hab ich gedacht, dass meine Oberschenkel platzen. Ich konnte fast gar nicht mehr aus dem Bett steigen."

    Nun war der Respekt da, der in der Bevölkerung bisweilen fehlt. Mit Biertrinken, ein paar Kegel umhauen und dann noch was futtern hat das nix zu tun. "Der Körper wird gefordert, nur anders als beispielsweise beim Fußball. Deswegen habe ich mit den Kickern in meiner Zeit als Fußball-Trainer auch gerne mal gekegelt. Die haben natürlich auch gelacht. Aber nur vorher."

    Vier Stunden pure Anspannung am Spieltag
    Lachen kann der Langzeit-Coach an einem Spieltag meist erst nachher, wenn das Ergebnis auf der Tafel steht. "Dann bin ich aber fertig. Völlig fertig. Man ist dreieinhalb oder vier Stunden im Tunnel drin, das schlaucht." Schließlich zählt - vor allem beim 120-Wurf-System, das sein Team in der Bayernliga spielt - auch die Taktik, die der Dittelbrunner stets im Blick hat. Jeder Spieler kann nämlich einen Mannschaftspunkt holen, für das höhere Gesamtergebnis gibt's zusätzlich noch zwei Zähler. "Deine Birne arbeitet ständig - als Spieler und als Trainer." Entspannung sieht anders aus.

    Trotzdem ist es für den Familienvater wichtig, stets die Ruhe zu bewahren. "Jede meiner Spielerinnen ist anders - wie jeder Sportler. Manche braucht Streicheleinheiten, eine andere mal einen Arschtritt. Trotzdem: In der vergangenen Saison hat ein gegnerischer Coach sein Team auf der Bahn mal völlig zusammengefaltet. Die Mädels waren nach ihrer Niederlage ohnehin schon geknickt genug. Das geht nicht."

    Das erste Duell in der Bayernliga steht an
    Für Thomann steht auch beim Sportkegeln der Spaß im Vordergrund. Ganz im Sinne einer "Sportgemeinschaft" eben. Viele Paare haben sich bei der SG schon durch's Kegeln gefunden, was dem Coach sichtlich Freude bereitet. "Wir sind ein Breitensportverein, brauchen aber auch die Ergebnisse."

    Die zählen ab sofort wieder für seine Frauen-Mannschaft, die in unveränderter Form am Sonntag (15 Uhr) zum Auftakt der Bayernliga Nord zu Hause auf den Landesliga-Meister und Liga-Neuling SKK Raindorf trifft. "Die Favoritenrolle ist nicht klar verteilt. Die Liga ist sehr ausgeglichen und wir müssen auch erst einmal ankommen. Somit schauen wir erst im Winter, was unser Saisonziel wird." Martin Thomann weiß schließlich, dass kleinste Feinheiten große Unterschiede machen können.